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Hamburg, Color Line Arena, 08.03.2003 (Quelle: kn-online.de)
Britpop in Tarnjacke
Vermutlich käme niemand auf die Idee, seine Herzallerliebste zum Candlelight-Dinner in eine Garage einzuladen. Deshalb muss selbst den blind zum Britpop Neigenden ein Gefühl des Unterkühlten beschleichen, wenn er sich in Europas modernster Multifunktionsgarage der selbsternannt "besten Band der Welt" gegenüber sieht. Oasis boten in der Hamburger Color Line Arena wenig Anreize, ihnen ein weiteres Mal live zu begegnen.
Eine fünfköpfige Formation, die sich in der überdimensionierten Halle verliert. Eine Performance, für deren Bewegungslosigkeit ein von der Couch-Garnitur befreites Wohnzimmer ausreicht. Ein Sound, der an die Startbahnen des Flughafens Hamburg-Fuhlsbüttel erinnert – am deutlichsten zu hören an der eigentlich herzerweichend sensiblen Ballade Stop Crying Your Heart Out, die in der Arena zur wütenden Boeing mutiert. Und wahrlich nicht zuletzt ein Frontmann in Tarnjacke, der nach der schlagzeilenträchtigen Schlägerei in München Anfang Dezember zwar neue Frontzähne haben mag, diese aber den rund 6000 Besuchern mangels Bereitschaft zum freudig erregten Gesichtsausdruck während der gesamten 80 Bühnenminuten vorenthält.
Wenn überhaupt Zähne eine Rolle spielen, dann sind es Liam Gallaghers Backenbeißer, die zwischen und während der 18 Songs auf einem Gummi kauen. Vermutlich presst er es in einen seitlichen Stauraum des Mundes, wenn er die Arme auf dem Rücken verschränkt, die Hüfte nach links schiebt und den Oberkörper extrem nach vorn zum Mikro beugt, um mit nasal-kratzender Stimme seinen spärlichen Beitrag zum Live-Geschehen zu leisten. Ansonsten steht der Sänger am Bühnenrand, wo er die Menge meist unbewegt mustert. Eine letzte Chance auf Nähe raubt seine Sonnenbrille.
Es ist wohl eine masochistische Facette, die es ermöglicht, der gewollten Attitüde des Überheblichen euphorisch auf den Leim zu gehen. Rockhistorisch wichtige Beiträge wie The Hindutimes, Little By Little, Supersonic, Born In A Different Cloud oder Don't Look Back In Anger treten trotz druckvollem wie variantenreichem Vortrag samt angenehm trotzigen Gitarren in den Hintergrund dieser Inszenierung. Diese "Badly Drawn Beatles" erheben die Arroganz zum herausragenden Rock'n'Roll-Accessoire. Gipfel ist dabei der Tophit Wonderwall, der nicht live, sondern unter gleißenden Saallichtern als Rausschmeißer verabreicht wird. Vielleicht wollen Oasis damit die Musik in den Mittelpunkt rücken. Doch man schaut längst woanders hin.
Autor: Oliver Hamel
Hamburg, Color Line Arena, 08.03.2003 (Quelle: kn-online.de)